Stärkung der indigenen Bevölkerung der Provinz Chimborazo, Ecuador, in der Wahrnehmung ihrer Rechte
ERPE – Escuelas Radiofónicas Populares del Ecuador – wurde zu Beginn der 1960er Jahre von Bischof Mons. Leonidas Proaño in Riobamba gegründet mit dem Ziel der Alphabetisierung und Bildung. Seit 1987 ist die Fundación ERPE eine von der Kirche unabhängige private Stiftung. Über Radioprogramme sowie Informations- und Kommunikationskampagnen auch über andere Medienkanäle sensibilisiert ERPE die indigene und bäuerliche Bevölkerung der Provinz Chimborazo und darüber hinaus in den Bereichen Bildung, Soziales, Landwirtschaft und Entwicklung.
Die indigenen Völker Ecuadors haben eine sehr traurige und harte Vergangenheit, die noch immer nachwirkt. Das Trauma des Völkermords, der Plünderung ihrer Reichtümer, Vertreibung, Ausbeutung und Gewalt ist bis heute nicht aufgearbeitet. Es bestehen nach wie vor in Ecuador große Ungleichheiten zwischen indigener und mestizischer/weißer Bevölkerung ebenso wie zwischen Städten und ländlichen Regionen. Ob bei Eigentum von Land oder Produktionsmittel, Zugang zu Bildung und Gesundheitssystem oder Wahrnehmung fundamentaler Rechte wie jene auf ausreichende und ausgewogene Ernährung oder menschenwürdige Arbeit: für Menschen indigener Herkunft sind diese nur schwer oder gar nicht erreichbar.
Mitte der 1980er Jahre kam es zum Erstarken indigener Protestbewegungen, bei denen auch mehr politische Teilhabe gefordert wurde und das hält bis heute an. An all diesen Protesten waren und sind Frauen stets maßgeblich beteiligt, um für ihre Rechte zu kämpfen. Und auch ERPE war mit Informationskampagnen zur Stelle und unterstützte v.a. auch die Frauen dabei, sich zu organisieren.
Mit der im Jahr 2008 geschaffenen neuen Verfassung hat Ecuador gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen in allen Bereichen festgeschrieben. Auch wenn die Realität noch weit davon entfernt ist, konnten bereits viele Verbesserungen erreicht werden und spiegeln sich in der Gesellschaft wider. Es gibt heute eine stärkere Beteiligung von indigenen Frauen, die in gesellschaftlichen und politischen Gremien als ExpertInnen und Führungskräfte arbeiten. Erst kürzlich (02/2023) wurde eine Frau, Diana Caiza, zur ersten indigenen Bürgermeisterin der Stadt Ambato gewählt, ein Ereignis von historischer Bedeutung für den indigenen Sektor. Es ermutigt auch andere Frauen indigener Herkunft, sich zu solidarisieren und die Zukunft mitzugestalten.
Der Prozess der Bewusstseinsbildung bzw. Befreiung der indigenen Menschen in der Provinz Chimborazo begann mit Bischof Mons. Leonidas Proaño und mit der Gründung der Radioschulen (ERPE). Er leitete damit eine Bildungskampagne ein, die von Alfabetisierung und grundlegender Mathematik, Kenntnisse im Agrarbereich wie ökologische Anbaumethoden, Wiederbelebung der Quinoa-Produktion zur Einkommensschaffung u. Ernährungsverbesserung etc. bis hin zur Förderung eines kritischen Bewusstseins unter den Menschen. Mit dem Volksradio öffnete ERPE die Mikrofone für die ausgegrenzte und ausgebeutete Indígena-Bevölkerung, Kichwa-KommunikatorInnen berichteten über die reale Situation der Gemeinden, die indigenen Aufstände, Wissensvermächtnis der Alten zu andiner Medizin und Kulturelles. Es sollte sie nach und nach in die Lage versetzten, aus der selbst-wahrgenommenen Minderwertigkeit und Unterwürfigkeit herauszutreten, die eigene kulturelle Identität zu bejahen und für Teilhabe in allen Bereichen zu kämpfen.
Seit 2023 wird bei der Fundación ERPE ein neuer Fokus auf die besonderen „Kollektiven Rechte indigener und in Stämmen lebender Völker“ gelegt. Gemäß ihrem Selbstverständnis informieren die Radioschulen über die in nationalen (Verfassung Ecuadors!) und internationalen Übereinkommen (ILO) verbrieften besonderen Rechte dieser Völker. Dort wird deren Recht auf Schutz der Lebensgrundlagen, Werte & Traditionen, Territorien und Lebensweise festgehalten. Gerade in Ecuador schreitet z.B. der Ressourcenabbau stark voran. Erdöl, Holz, Mineralien sind begehrte Rohstoffe, deren Vorkommen großteils in indigenen Territorien liegen und deren Abbau immer häufiger zu Konflikten zwischen Bergbauunternehmen und indigenen Gemeinschaften führt. ERPE hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur über diese Rechte zu informieren, sondern auch Fälle von Rechtsbrüchen zu dokumentieren und damit indigene Organisationen zu stärken, ihre Rechte einzufordern.
Konkret werden folgende Aktivitäten von ERPE umgesetzt und digital archiviert:
- Sammlung und Aufbereitung von Information über die Erklärung der Rechte indigener und in Stämmen lebender Völker
- Kontaktaufnahme und Aufzeichnung von Interviews mit Vertreter:innen indigener Völker, die sich für kollektive Rechte einsetzen und diese verteidigen
- Sammeln und Aufzeichnen von Fällen, in denen kollektive Rechte verletzt werden
- Aufbereitung der Informationen in zweisprachigen (Kichwa/Spanisch) Radio- und Videoformaten
Über den Radiosender und die digitalen Plattformen werden die Berichte und Interviews live aus den Gemeinden übertragen und der Öffentlichkeit präsentiert. Dies geschieht täglich, mit zweimaliger Aktualisierung pro Woche.
Birgit Almhofer hat im Rahmen ihrer Bildungskarenz 2022 die Verantwortlichen und die Arbeit der Fundación ERPE in Riobamba kennengelernt. Im Vorstand der Eine Welt Gruppe haben wir beschlossen, dieses Projekt zu unterstützen. Aufgrund der Höhe des Gesamtbudgets von € 12.000 wurde beim Land Salzburg um EZA-Fördermittel angesucht und diese in Höhe von € 8.000 bewilligt. Den Rest bestreiten beide Projektpartner je aus Eigenmitteln. Wir freuen uns, bald auch mit Fotos über den Projektfortschritt berichten zu können.
12 Schritte gegen Klimawandel
und für Klimagerechtigkeit
Auch die Eine Welt Gruppe Thalgau
hat dieses Positionspapier unterzeichnet.